Im Bärgheu am Brienzergrat

Aufzeichnungen von Friedrich Michel (1894 bis 1982) im Frühjahr 1981. (Abgetippt von Elisabeth Schild)

Foto: Christian Lüber

Das Bärgheuen spielte von 1914 und dann besonders während den beiden Weltkriegen eine grosse Rolle. Zur Zeit wo die Aare noch freien Lauf hatte im Gebiet zwischen dem Brienzer See und Meiringen war das Land grösstenteils sumpfig und unfruchtbar grösstenteils nur Lische. So dass die Bauern das Heu vom Berg holen mussten. In dieser Zeit hielt auch fast jede Familie zwei oder mehrere Ziegen. Für diese Ziegen musste das Futter für den Winter vom Berg herab geholt werden, also Bergheu. Denn die wenigsten Ziegen Besitzer hatten ein Stücklein Privatland. Und das Burgerland musste zum Kartoffel- und Gemüsepflanzen benützt werden.

In meinen Buben Jahren waren 150 bis sogar 200 Ziegen im Dorf. Es gab auch einen Ziegen Hirt, der führte von Anfang Mai bis Ende Oktober die Ziegen auf die Weide im Dorni, auf die Ofenbielen und ins Vorsessli. Im Sommer dann bis an Rotschalp und in Salibühl, ein weiter Weg für die Ziegen und Hirten! Nun war es aber so: Die Ziegenhalter waren meistens ärmere Leute, hatten keine Alp Rechte, es bestund aber eine Verordung in der Gemeinde wonach die Ziegen Besitzer das Recht hatten obenher der Kuhweide zu heuen wobei die Älpler des Vorrecht hatten, für ihren Bedarf das gäbige weniger steile Gebiet ab der Kuhweide für sich zu behalten, so dass den Ziegen Halter grösstenteils nur das steile und vielmals mit Steinen durchsetzte Gebiet übrig blieb. Das Heu war nicht schlechter nur gab es mehr Arbeit und war meistens sehr steil und daher auch gefährlicher. Das den Ziegen Besitzern zugeteilte Gebiet wurde durch den Alp Vogt in einiger Massen gleich grossen Ertrag gebenden Parzellen eingeteilt und durch das Los verteilt, das geschah jeweils am 1. August. Für gutes Los musste man einen kleinen Betrag bezahlen. Waren wenig Interessenten konnte man zwei bis drei Lose ziehen und es war auch möglich unter einander abzutauschen in 2 oder 3 Lose beieinander zu haben. Das war dann eine Angelegenheit der einzelnen Los Bezüger.

Man konnte auch an Planalp bergheuen neben der Schonegg in den steilen «Stallenen» am ganzen Tanngrindel was nicht Viehweide war meistens steile Graben Börter, auch oben auf dem Tanngrindel wo heute die Lawinenverbauung ist. Nur war hier der Transport lang und mühsam bis in die Hausstatt hinunter. Da der Betrieb auf der Rothornbahn seit dem Aug. 1914 wegen dem ersten Weltkrieg und dann nachfolgenden schlechten Jahren eingestellt war, wurde das Geleise benützt mit Traisinen zu befahren. Eine Traisine war ein Holzgestell von 1.80 bis 2 mtr. Länge und Schienen Breite. Seitlich waren Hartholzbrettchen, zwei davon mit dickem Sohlenleder belegt, angeschraubt. Diese Brettchen, sogenannte Spurkränze dienten dazu dass die Traisine nicht ab dem Geleise rutschte und zum bremsen, indem man je nach Schienenlage ein Brettchen an die Schiene drückte.

Auf eine solche Traisine konnte man gut 4 – 6 Klupfel Heu aufladen. Man lief einfach neben der Traisine je nach Bedarf zog oder bremste man etwas. Wenn alles gut ging war man von der Hausstatt bis am Rauenhag, obenher vom Dorf ca. in 20 bis 30 Minuten, also sehr schnell. So praktisch der Transport mit einer Traisine war, war er sehr gefährlich und musste verstanden sein, indem man die Lage des Geleises genau beobachten musste in allem laufen. Wie gefährlich die Sache war mussten mein Vater  und ich leider erfahren. Einmal kamen wir mit einem Fuder Heu von der Kühmad Brücke herunter. Es wollte regnen und wir hatten im Sinn in der Hausstatt im Bahnschöpfli an Schermen zu sein. Leider war das Schöpfli schon voll Heu so dass wir für unser Heu keinen Platz mehr hatten. Da entschlossen wir uns ins Fluhtunnel hinunter zu fahren. Ich befahl dem Vater aufs Fuder zu sitzen damit ich zügiger fahren konnte. Normalerweise rutschte die Traisine ab der Station langsam weg. Ich war mit meinen Vorbereitungen noch nicht ganz fertig da nahm die Traisine neben mir vorbei einen Satz und nahm sofort ein unheimliches Tempo an. Mit Angst und Not konnte ich gerade noch das hintere Ende des Heufuders erwischen. Wir hatten aber ein solches Tempo dass es aussichtslos war irgend eine Bremsung anzuwenden. Ich stemmte mich mit den Füssen gegen die Fahrt aber vergebens! Und das Tempo steigerte sich noch zusehends. So blieb meinem Vater und mir nichts anderes übrig als uns hinten ans Fuder zu hängen und zu hoffen dass wir auf einer rostigen Stelle des Geleises zum Stillstand kommen oder in einer Kurve umkippen – bange Sekunden. Die zwei Brandeggkurven wussten wir noch zu nehmen dann aber kam die scharfe Kurve für in das Fluhtunnel. Inzwischen hatten wir eine nochmalige Temposteigerung erhalten so dass es zur Katastrophe kommen musste.

Wegen irgend eines Hindernisses kippten wir schon Anfangs der Kurve auf die Seite, schossen aber auf den blossen Heuchlupfeln gut 50 mtr. weit über das steinige Bankett des Geleises! Unheimlich! Das ging mit einer solchen Geschwindigkeit dass man nichts mehr wahrnehmen und denken konnte. Die Traisine muss dann irgendwo auf dem Bankett oder an der Zahnstange des Geleises angestossen sein. Durch den fürchterlichen Aufprall wurden Vater und ich hoch in die Luft in eine Gruppe von Tannen geschleudert welche neben dem Geleise stand. Heruntergefallen sind wir, welch ein Glücksfall auf die Heubündel welche hinter einer Tanne zum Stillstand gekommen waren, so dass unser Fall sehr abgeschwächt wurde. Ein Fall aus ca. 7 bis 8 Meter Höhe hätte auf dem harten Boden schlimm ausgehen können. So aber hatten wir neben zerrissenen Kleidern nur einen zerkratzten Arm und ein zerschundenes Bein zu beklagen. Die Kratz- und Schürfwunden am Bein waren mir gut 14 Tage lang sehr hinderlich.

Von grossem Glück konnten wir sagen dass wir in die Gruppe Tannen geflogen sind. Wären wir in die freie Luft geschleudert worden und mit ziemlicher Sicherheit neben dem Mühlebachfall ins Leere hinausgeflogen. Das Gleiche hätte passieren können wenn wir ins Tunnel eingefahren wären, im obersten Loch des Fluhtunnels hätte es uns mit Sicherheit in die Luft hinausgeschleudert. Nachdem Vater und ich uns von dem grössten Schrecken erholt und Kopf und Körper gefühlt und betastet hatten ob wir Schaden genommen, waren wir auf einmal von einer Anzahl Leuten umringt welche unsere Talfahrt beobachtet hatten. Sie waren sicher dass wir bei dem Tempo ins Fluhtunnel eingefahren sind und seien im obersten Loch des Tunnels über die Fluh hinausgeschleudert. Wäre es nicht vorher zum Stillstand gekommen so wäre dies wohl eingetroffen. Mit grosser Erleichterung halfen uns dann die Leute das Heufuder aufs Bahngeleise und in den Tunnel hinein buxieren.

Was war nun Schuld an unserer rasanten Talfahrt? Die Älpler Buben machten aus einer kleinen Holzschindel auch kleine Traisinli mit denen sie auf den Schienen hinunterrutschen. Um besser ins Rutschen zu kommen hatten die Buben die Schienen mit Oel + Fett bestrichen, welches sie in einem Bahnwärter Häuschen gefunden hatten. Wie wir später hörten haben die Buben am Abend gehörigen Prügel auf den Hosenboden bekommen. Wenn jemand an einer rostigen Stelle geschmiert hat so wird dieses bekannt gegeben, damit man sich dagegen wapnen kann durch rechtzeitige Bremsvorkehren. Würden die Bremsvorkehren unterlassen kann das ganze Fuder, es hatte ein Gewicht von 300 bis 500 kg, so mit einem Satz in Fahrt, so dass nichts mehr zu machen war.

Da ist ein lustiges Stücklein passiert:
Thöni Jägel, der Zimmerman, kam mit einer kleinen Traisine von der Planalp herunter. Er hatte einen Chlupfel Heu geladen und hinten ein Brentli mit Milch aufgebunden. Untenher der Schwarzenfluh hat er die Fahrt unterbrochen um noch etwas Heu aufzuladen. Er meinte die Traisine stehe still und entfernte sich vom Fuder, diesen Moment benutzte die Traisine und fuhr selbständig ab. Vater und ich waren am Rauenhag am Heu abladen und hörten im Geleise einen singenden Ton. Aha, da kommt eine Traisine ohne Begleitung! Schnell räumten wir unser Heu vom Geleise weg und schon sah man die Traisine mit unheimlichem Tempo auf uns zukommen. Um die Traisine am Weiterfahren zu hindern hatte man 2 grosse schwere Steine auf das Geleise gelegt. Mit unheimlicher Wucht prallte das Fuder auf die Steine auf, der Schlag schlug den Deckel vom Brentli ab und die Milch flog 5-6 mtr. weit genau in die Form des Brentli durch die Luft ehe sie sich auf den Boden ergoss. Vater und ich versteckten uns im Streuegaden um das weitere zu beobachten. Nach einiger Zeit kam dann Thöni Jägel, umsah sich rings um, band das Brentli los warf den Chlupfel Heu neben die Scheune und ging mit dem leeren Brentli Heim zu. Am anderen Morgen trafen wir beim Aufstieg auf die Planalp mit Jägel zusammen. Er sagte aber nicht’s war sehr schweigsam. Da sagte ich zu ihm: Er und seine Frau hätten gestern Abend wohl schwarzen Kaffee trinken müssen. Da wohl da kam er zum sprechen nach einem einige Meter langen Fluch bat er meinen Vater und mich inständig darum nichts zu sagen, den er wollte immer ein schlimmer Jägel sein.

Von der Planalp Wildheuerei wäre noch vieles zu berichten. Ich möchte aber auch noch etwas berichten vom Bergheuen an Rotschalp. Nun das Bergheuen an Rotschalp setzte ganz andere Methoden voraus. Erstens war der Weg von zu Hause über Planalp Rotschalp Läger bis in den Salibühl mehr als doppelt so lang als von Planalp, mit einer Traglast von 30 bis 40 kg. Heuerwerkzeug Seiltücher Esswaren und Kochgeschirr und was man sonst noch alles braucht hatte man schon 3 ½ bis 4 Stund Marschzeit. Darum ging man manchmal an einem Sonntag mit einer Bürde bis an Rotschalp Läger um zum Aufbruch ins Bergheu es leichter zu haben. Einige Zeit bevor man ins Bergheu ging ist man hinauf gegangen und hat an einem schönen Tag einige Chlupfel Näschtfutter gemäht welches man dann in Stähli Tewses Hütte ausgebreitet hat um darauf zu schlafen. Viele Bergheuer gingen mit den ganzen Kleidern schlafen etwa nur einen Kittel unter dem Kopf. Vater und ich nahmen etwas Bettzeug mit welches wir mit Heu füllten und als Decke und Kissen brauchten. Damit die über Tag verschwitzten oder sonst nass gewordenen Kleider verlüften oder trocknen konnten zogen wir Überhosen und ein Blusli an, so konnte man auch gut ausrücken. Über den Kopf zog man noch eine Zipfelmütze, den über Nacht erhielten wir vielmals Besuch von Mäusen welche nicht zuerst fragten ob sie über Kopf und Nase spazieren dürfen. So eine Nacht im duftenden Bergheu das war etwas köstliches. Und dann am Morgen das Erwachen und aufstehen vor die Hütte treten wen die ersten Strahlen zuerst Lauteraarhorn Schreckhorn und Finsteraarhorn vergoldeten und dann nach und nach die niederen Gipfel, bis die Strahlen auf den Brienzergrat auftrafen, dann war es aber auch Zeit ins Mad zu gehen und mit mähen anzufangen. Noch ein Blick gegen den Sprung und ins Grübi den da weiden am Morgen früh immer einige Gemsen, ein Jauchzer und die Sense macht schit schit!

So nun hat die Tagesarbeit begonnen den mit Essen versäumte man möglichst wenig Zeit, ohne es gehe einem wie dem einten Ebliger welcher beim Zügeln vom Weidli ins Bergheu die Pfanne vergessen hatte. Um aber gleichwohl zu seiner Suppe zu kommen löffelte er den Mehlrest trocken hinunter, trank ein Bintli voll Wasser dazu, ging an die Sonne liegen, öffnete den Hosenladen zog das Hemd bis unter das Kinn und liess den Bauch von der Sonne bescheinen. Da wollte es der Zufall dass ein anderer Bergheuer vorbei kam welcher den Ebliger mit Erstaunen fragte was er da auch mache? Da gab der Ebliger zu Bescheid: «är heigi Suppa uber».

Lustige oder komische Stücklein passierten immer wieder welches am Abend bei der Feuergrube etwas Unterhaltung gab. Am Morgen wenn das Gras noch taunass war,  war das Gras am schnittigsten, gegen Mittag wenn alles dürr und trocken, hörte man auf mit mähen, holte etwas Wasser zum Kochen und weiter unten im Wald Holz zum feuern. Man hatte es zwar nicht ungern wenn es einmal einen Regen- oder Nebeltag gab, denn da konnte man unscheniert einen Tag lang mähen. So passierte es mir dass ich an einem solchen Tag zwischen zwei Gräblinen wo ich wegen dem Nebel die March gut einhalten konnte und nicht zuerst bis auf den Grat hinauf gemäht hatte da musste ich doch aufhören mit mähen. Das hinten hinab wollte ich doch nicht mähen. Wir hatten Glück mit dem Wetter denn nach 2 Tagen Nebel hatten wir 10 Tage lang das schönste Heuwetter so dass man keine Angst haben musste es verregne einem das Heu. Vom Grat weg zog sich eine flache Kehle durchs ganze Mad hinunter bis in die Nähe der obersten Hütten am Salibühl es war das gäbigste Heumad im Rotschalper Berg.  Wir hatten aber auch Heuteile durchs Los gezogen wo wir die Chlupfel 3 – 400 mtr. weit tragen mussten bis zu den Hütten wo der Heu Schleif anfing um zu den Heutransport Seilen zu gelangen. Das dürre Heu wird mit einem Grotzbesen an eine Made gewischt, von dieser Heumade nimmt man einen Arfel Heu so viel man erfassen kann, drückt es zusammen und macht eine Heubeige von 8 – 10 Arfel Heu. Je nach Gelände. Dann setzt man sich hinter die Beige und fängt mit den Füssen an zu stossen. Diese Art des Zusammenstossen vom Heu ist aber nur auf kurze Strecken anwendbar. Denn gerne kommt eine so gestossene Beige ins unkontrollierte Rutschen und landet dann in einem Graben oder über einen Felskopf hinaus mit samt dem Mann, den es ist sehr schwierig die Füsse aus dem rutschenden Heu heraus zu ziehen.

In unserem Fall legten wir 3 – 4 lange Tannäste auf den Boden, banden dieselben vor mit einem Hälsig zusammen, hinten breitete man sie auseinander und machte so ein Täsch. Vor auf dem Täsch kamen 2 Arfel Heu aufeinander welche man mit dem Resten vom Hälsig an den darunter liegenden Ästen festband. Nun konnte man eine ganze Anzahl Arfel Heu hinten anbeigen ca ein Quantum von 3 Heu Chlupfel. Ein solcher Täsch Heu zog man dann auf einer ziemlich langen Strecke hinunter bis da wo man eine Triste machen oder in «Blächen» laden wollte. Der Zusammenzug des Heu’s richtete sich stets nach den Geländeverhältnissen, ob man Heubeigen stossen Täschen oder sogar Chlupfel für Chlupfel machen muss, letzteres kommt in Frage wen das Heu ein Stück weit getragen werden muss um zum Sammelplatz zu gelangen. Ist einmal die Heuerei zu Ende so kommt dann der Transport ins Tal hinunter am Drahtseil. Die ganze Stecke vom Salibühl bis nach Ebligen war in 4 Sektionen eingeteilt. Von Gums Salibühl in Lindi, vom Lindi in Steinbruch von da quer über den unteren Ebliggraben hoch in der Luft in den Buhwald obenher vom Ebligen Dorf. Dann steil hinunter in die Wiesen obenher der SBB Station, dann noch eine kurze Strecke bis obenher der Staatsstrasse.

Von Ebligen musste man die Chlupfel noch auf einem Redig bis nach Brienz transportieren um diese Fuhre mit Ross und Wagen zu machen fehlte vielmals das Geld. Die Heuerei und der Transport eine grosse zeitraubende Angelegenheit. Welche schon dazumalen nicht rentierte, man war aber auf das Heu für die Ziegen darauf angewiesen wenn man überleben wollte. Zum Seilen taten sich jeweils einige Heuer zusammen um gemeinsam zu seilen, denn es war von Vorteil wenn auf einer Station wenigstens 2 Mann waren um die Chlupfen von einem Seil auf das andere umzuhängen. Passierte nichts unbeliebiges so war es möglich dass man in 1 ½ bis 2 Stunden etwa 30 Chlupfel Heu was etwa 1500 bis1800 kg entspricht vom Salibühl bis an die Strasse befördern konnte.

So problemlos verliefen die Transporte nicht. Jedes mal wenn zum Beispiel ein ausgelaufener Seilhaken, ein Chlupfel nicht gut gebunden oder nicht korrekt an das Drahtseil gehängt wurde so dass das Fuder ins plampen kam und gegen das Ende im Seildurchhang alles stecken blieb was jeweils grosse Verzögerungen und Arbeit verursachte. So eine Katastrophe, man kann wohl so sagen haben mein Vater und ich erlebt. Selb zviert haben wir mit 2 anderen Bergheuern einen Transport vorgenommen. Leider hatten wir genau gleich viel Seile Hacken wie Heubündel, keine Reserve Hacken und es war ein stark ausgelaufener dabei. Diesen Hacken nicht brauchen und einen Chlupfel zurück lassen taten wir auch nicht gerne da es der letzte Transport war welchen wir noch zu machen hatten. Probieren wir es einmal, schicken den schlechten Hacken gut geschmiert vorab damit wenn er stecken bleibt mit einem nachfolgenden Fuder los stechen und bis zur nächsten Station befördern kann. Das war jeweils eine Lösung. Bei den zwei ersten Seillängen ging die Sache gut, dann aber kam das lange Seil welches quer über den grossen Eblig Graben lief und die untere Seilhälfte 1mm dicker war als die obere statt umgekehrt. Waren die Seilhacken gut, hatte so die Durchmesser Differenz keinen Einfluss. Ausgelaufene Hacken blieben aber meistens stecken. War wir befürchtet ist nun eingetroffen, mit einem Ruck blieb der Chlupfel hängen mitten ob dem Graben wohl 70 – 80 mtr. ab dem Boden in der Luft. Ein Seil an einem Hacken hinten und das ganze zur nächsten Station ziehen, kommt nicht in Frage dazu hängt die Sache zu hoch und die Graben Börter sind zu steil und bewaldet. So bleibt nur die andere Möglichkeit übrig, dass man einen Chlupfel mit Steinen beschwert an 2 Hacken hängt und das Ganze auf gut Glück los lässt. In den besten Fällen kommt durch den Aufprall das ganze wieder in Fahrt und gelangt bis zur Station. In unserem Falle hatten wir kein Glück ca. 2 mtr. kam es vorwärts und blieb dann stecken, das war viel schlimmer als vorher. Diese Prodezur probierten wie ein 2.mal mit einem noch schwereren Chlupfel und an drei Hacken leider aber auch vergebens. Was wir machen?

Es hingen nun 3 Chlupfel noch mit Steinen beschwert und  6 Seilhacken am Seil. Es kamen noch andere Bergheuer herbei und nach einer längeren Beratung kam man zum Entschluss dass man es wagen müsse über das Seil hinunter zu rutschen und Den ersten Chlupfel mit dem schlechten Hacken abschneiden. Das war aber schnell gesagt. Wer will es aber machen. Da kam nur ich in Frage da ich der jüngste von allen war und schwindelfrei. Fürs erste gingen wir nach Hause um das nötige Material zu holen um den Plan ausführen zu können. Anderen Tages stiegen wir wieder hinauf. Nach dem wir die Sache nochmals besprochen legte ich einen Rettungsgurt von der Feuerwehr um, hängte mich mit 2 Karabiner Hacken an das Drahtseil. Es war wirklich mehr als ein Wagnis sich an einen 10 mm dickes Seil zu hängen wo schon 3 schwere Heubündel hingen, frei in der Luft ca. 200 meter weit hinunter zu rutschen. Nicht auszudenken die Folgen wenn das Seil zerreissen sollte.

Zwei Männer hiessen mich an einem Seil gesichert langsam am Draht hinunter rutschen. Meinem Vater war so angst dass er nicht zuschauen, sich umkehren musste. Mir war zwar auch nicht heimlich so frei und so hoch an einem Bleistift dicken Seil zu hangen. In den Graben hinuntersehen durfte ich nicht sonst wäre mir jedenfalls doch schwindlig geworden. Endlich langte ich bei den Chlupfeln an ich brachte mich so gut es ging in Position um mit einer leichten Stange an welche ich ein grosses Messer angeschraubt hatte den vordersten Chlupfel abzuhauen was mir nach einiger Mühe gelang. Der abgeschnittene Chlupfel fiel in den Graben hinunter und die anderen zwei kamen sofort in schnelle Fahrt und sausten der Station zu. Schnell musste ich mich sichern indem ich die Beine über das Drahtseil schlug, mit den Armen beidseitig über das Seil, in den Hosengurt griff mich fast verkrampft und den Kopf möglichst weit vom Seil hielt. Denn beim Aufprall der Chlupfel bei der Station gibt es eine Rückwelle in meinem Fall von unten dann von oben und leicht nochmals von unten. Die erste Welle von unten war so stark dass es mich um das Seil herum schlug und mir die Festhalte Griffe für einen Moment löste. Gottlob hat das Drahtseil gehalten und ist nicht gerissen. Man darf nicht daran denken was geschehen wäre bei einem Seil Riss in diesem steilen Graben und der Seillänge. -  Ein grossen Unglück!

Nun aber wieder dem Seil nach hinauf. Das war für mich nun der mühsamste Teil. Die Männer am Sicherung Seil konnten mich nur halten damit ich nicht zurück rutschte, vorwärts also nach oben musste ich mich an dem dünnen Drahtseil hochschaffen. Ich meinte ich bringe es nicht fertig. Als ich endlich oben, war ich total erledigt. Ich hatte die grösste Mühe nach Ebligen hinunter zu kommen. Zum Glück kam Huggler der Fuhrmann welcher mich aufsitzen liess. Ich glaube noch bis nach Brienz zu laufen hätte ich nicht geschafft. Vater und die anderen Männer brachten die Seilerei dann noch ohne weitere Unbeliebigkeiten zu Ende. Bei einem normalen Verlauf hätten wir etwa 2 – 2½ Stunden gehabt um den Transport auszuführen, so aber versäumten wir 2 ganze Tage. Mit Glück und Unglück musste man bei der Seilerei rechnen.

In diesem Zusammenhang möchte ich eine andere Episode noch festhalten: «dr Stitzler» Ruf zum Geschlecht hatte auch einmal einen Chlupfel am Drahtseil hangen. Der aber holte denselben auf ganz einfache Art herunter Er fing unter dem Heuschober im «Ziindli» an in Heu und Heubliemd an zu schaben und was kam da zum Vorschein, ein zusammenlegbares Gwehrli.  Ein richtiger Wildheuer war auch ein guter Wild Schütz, natürlich ohne Patent und lies sich nie erwischen. «Stitzler» setzte das Gewehr zusammen blies 2 mal in den Lauf und schob eine Patrone ins Magazin. Ging nachher im Graben Bort auf gleiche Höhe wie der Heu Büntel hing, liess sich auf die Knie nieder zielte kurz und der Büntel Heu fiel herunter. Diese Art zeigte man natürlich nicht jederman schon wegen dem Gewehr! Nun noch einige allgemeine Verhaltensregeln und Hinweise betr. Bergheuen. Das im Buch «Wildheuen in Ringgenberg» von E. Schmocker verfasst und von G. Ritschard ausserordentlich gut illustriert wirklich den Begebenheiten entsprechend gezeichnet verzichte ich auf die detaillierte Angaben über das Heuerwerkzeug und Arbeitsmethoden näher einzugehen. Was ich aber doch noch speziell festhalten möchte ist folgendes: dass man beim Wetzen der Sense peinlich darauf achten muss, dass man mit dem Standbein gut steht und dass der hintere Griff vom Sensenworb fest neben dem Schuh des Standbeines steht. Ein Ausrutschen im steilen Gelände würde unzweifelhaft zur Folge haben, dass man sich am Sensenblatt arg verletzen würde. Solche Unfälle kommen wegen Unachtsamkeit noch hin und wieder vor. Sodann muss man beim Zusammenwischen des dürren Heu nicht in einen Walm Heu hinein tritt. Denn da verliert man jeden Stand und Halt. Gut mit Nägeln oder noch besser mit «Tricuuni» beschlagene Schuhe sind Voraussetzung für Standfestigkeit um die Sicherheit zu erhöhen wurden von den Schuhabsätzen «Gräppeni» angeschnallt, das waren kleine 4 zackige Steigeisen, welche fest sitzen mussten sonst rutschten sie gerne auf die Seite des Schuhs, just in dem Moment wo sie halten sollen. Zog man die Riemen fest an so wirkte es sehr ermüdend. Man musste auch schön platt auftreten den der Schuhspitze oder dem Absatz gaben sie keinen Halt. Diesem Umstand habe ich abgeholfen in dem ich alte abgenützte 10 zackige Gletscher Steigeisen benutzte, mit diesen Eisen konnte ich in den steilsten Grabes Börtern hin und herlaufen ohne zu achten wo ich hinstand immer hatte ich Stand, und das angenehmste war, ich konnte die Steigeisen tagelang an den Füssen haben ohne dass dieselben ermüdeten den die Gurten brauchte man nur lose zu binden. Neue Gletscher Steigeisen sind aber nicht zu verwenden diese sind zu griffig, blieben in der Grasnarbe hängen und waren sogar gefährlich. Mit diesen alten Steigeisen konnte ich verschiedene Arbeitserleichterungen erreichen, zum Beispiel beim Heutäschen nach der alten Methode konnte man nur ein Täsch machen von maximal 2 – 3 Chlupfel.

Ich habe je nach Gelände Täsch gemacht von 5 bis 6 Chlupfel. Stellte mich davor griff mit den Händen in zwei Seiltuchmaschen und fuhr ohne weiteres die steilsten Seiten hinunter. Was vielmals bei gewiegten alten Bergheuern Erstaunen hervorrief. Diese Trickli musste einer selbst herausfinden. Ein nicht flinker, rasch- entschlossener und zufest neugieriger Mann war kein guter Wildheuer. Den die Unbeliebigkeiten traten unversehens an einen heran, am meisten Unfälle gab es immer noch beim Drahtseilen. Bei einer solchen Seilerei ist meiner Frau Vater auch tödlich verunglückt. Es gibt da so viele Sachen zu beobachten welche man am besten von einem alten routinierten Bergheuer erlernt. Auf alle Fälle gehören 2 Männer für das Umhängen der Chlupfel auf eine Station, denn nur einer allein kann das Umhängen nicht bewerkstelligen. Der Transport des Bergheu ist an Planalp, Rotschalp, Eblig- und Oberrieder Berg wie in Ringgenberg ganz verschieden.

An Planalp wurde das Heu nur bis in die Hausstatt gebracht und dort verfüttert, der Transport bis Brienz geschah nur während der Zeit von 1914 bis 1930 als der Betrieb der Rothorn Bahn eingestellt war. Der Transport geschah mit Traisinen wie ich beschrieben. Aus den Rotschalpen und Ebligerberg geschah er ausschliesslich mit dem Drahtseil da keine geeigneten Schlittwege oder Heuschleife zur Verfügung standen. In Oberrried geschah das zu Tal bringen des Heus ausschliesslich mit dem Horig Schlitten, ganz wenig mit dem Drahtseil da viel günstigeres Gelände zur Verfügung stand nur die Schlittwege und Heuschleife bis ans Bergheu Gebiet zu machen. In Ringgenberg kamen alle drei Transport: Täschen, Schlittnen und Seilen zur Anwendung da der Ringgenberger Berg ein vielseitiges Gesicht hatte. Vater und ich hatten die Jahre hindurch, da man in den Krisen Jahren auf dem Bamf nicht immer Arbeit hatte, von der Schönegg westlich vom Rothorn über den Tanngrindel, unter dem Tannhorn im Salibühl bis auf den Sewlisgrat und bis in die Rieder Gum wo die Oberrieder über den Grat gehen, für hinder Grat. Das eine oder andere Jahr haben wir alle Heuteile dem ganzen Grat nach gemäht welche man mähen konnte. Wenn wir es nicht gemacht hätten schiene es einem fast unwahrscheinlich.

Das Heu haben wir natürlich nicht alles für unsere Ziegen benötigt, wir haben den grössten Teil an die Tierparks Brienz, Harder und Dahlhölzli oder so an Pferdehalter verkauft. Reich ist man dabei nicht geworden. Im 1926 und die folgenden Jahre verdiente ein Handwerker so 4- bis 5- Franken im Tag, der Verdienst steigerte sich bis 1940 auf 8- bis 10- Franken. Der Verdienst eines Wildheuers lag auch in diesem Rahmen wenn alles gut ging, hatte man Regenwetter oder Unbeliebigkeiten beim Transport so schmälerte das den Verdienst unheimlich. Es gab mehr arme als wohlhabende Bergheuer. Das Wetter und das Glück entschied den Verdienst eines Bergheuers. Aber trotz der Gefahren und der mühsamen strengen Arbeit zog es einen, wer einmal angefangen zu Bergheuen, in den Berg hinauf. Die wenigen die heute noch Bergheuen betreiben es als Hobby oder als Ferien Plessier und nicht als Verdienst.

Was schlimm ist, dass nicht mehr Bergheu geschnitten wird ist, dass sich die Lawinengefahr von Jahr zu Jahr steigert. Schon haben die Lawinen sicher hundert m3 Bergtannen also Schutzwald bis an die Bahnlinie ja sogar bis in den See hinunter gerissen. Wenn in einem Bezirk nicht mehr geheuet wird, so geht es einige Jahre und dann ist plötzlich die Katastrophe da. Die Wychelbrücke ist letztes Jahr innert 24 Stunden 5 mal weggerissen und in den See geworfen. Ganz schwarz sehe ich für den kleine westlichen Dorfteil von Oberried mit dem obenher liegenden Einzugsgebiet welches vom Blasenhubel bis unter das Augstmatthorn reicht. Wenn da einmal das ganze Gebiet ins Rutschen kommen sollte, die Folgen sind nicht auszudenken. Wegen dem mähen oder nicht mähen verhält es sich nämlich so: Da wo gemäht wird bleiben immer einige Storzen und Stengel stehen und kommen Vertiefungen zum Vorschein wo der Schnee Halt findet. Wird nicht mehr gemäht, legt der erste Schnee das inzwischen lang gewachsene Heu platt auf den Boden zu einem glatten Deckel, so dass ganze Seiten aussehen wie ein Blechdach welches nassen oder vielen Schnee absorbiert keinen Halt gibt und es zur Lawine kommt.

Darum glaube ich es wäre fast vorteilhafter mit den Lawinen Verbauungsarbeiten das ganze Gebiet vom Tannhorn bis zum Augstmatthorn im Taglohn zu heuen und das gewonnene Heu an die Landwirtschaft zu verkaufen statt die teuren Verbauungen zu bauen welche vielmal den Zweck nur halb erfüllen. Diese Art der Lawinen Verhinderung wäre für unsere Förster aber zu wenig interessant!

Niedergeschrieben im Winter 1981.  Fr. Michel, 87-Jährig

PDF zum herunterladen:

Schauen Sie, passend zum Thema, auf YouTube den Dokumentarfilm Wildheuen in Ringgenberg

Eine Produktion des Südwestfunks Baden-Baden in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Fernsehen SRF und der Kägi Filmproduktion Rümlang/Zürich. Ausstrahlung 1983.

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Aus dem Leben von Werner Zysset

Es ist ein Nachmittag im März 2024, als Heidi Blatter und Zora Herren (Bericht) bei Mina und Werner Zysset-Leppin an den Küchentisch eingeladen werden. Werner ist vorbereitet auf unseren Besuch, auf dem Tisch liegen zwei Ordner mit Fotos und Dokumenten und auf einem Blatt hat er alle Kleinschreiner, die es 1951 in Brienz gab, aufgeschrieben. Wir zählen 29 Namen!

Drei Videos: Besondere Erinnerungen, erzählt von Werner Zysset (Jg. 1935)

Die Videos sind aufgezeichnet worden am 27. März 2024.  Werner Zysset ist im November 1935 geboren. Heidi Blatter und Zora Herren, vom Team Brienzer Dorfgeschichte, besuchten ihn und staunten, was Werner zu erzählen weiss. Viel Freude beim Schauen!

Das Video "Grossvater" dauert 8 Minuten, die beiden anderen knapp 2 Minuten.  

Alte Filmrollen gesucht

Sie haben Filmrollen mit Filmen von Brienz. Wir möchten das Archiv der Brienzer Dorfgeschichte bereichern mit alten Filmen und diese auch auf der Internetseite für die Brienzerinnen und Brienzer zugänglich machen. Sehen Sie sich im Video unten unseren Aufruf an:

Video: Anekdoten zum Schwandergässli

Kurt Wellenreiter (Jg. 1933) erzählt vom Schwandergässli. Das Video wurde aufgezeichnet am 31. Januar 2024.

Video: Von der Not in Brienz

Kurt Wellenreiter (Jg. 1933) erzählt von der Not in Brienz. Das Video wurde aufgezeichnet am 31. Januar 2024.

Video: Zur AHV-Einführung 1948

Kurt Wellenreiter (Jg. 1933) erinnert sich an die AHV-Einführung 1948, als er noch ein Junge war. Das Video wurde aufgezeichnet am 31. Januar 2024.

Video: Fluebärgler Seegeschichten

Kurt Wellenreiter (Jg. 1933) erzählt vom Leben auf und um den See herum. Das Video wurde aufgezeichnet am 31. Januar 2024.

Eröffnung Autobahn Brienz - Interlaken Ost

Ein Bericht von DRS aktuell vom 18. Mai 1988 zur Eröffnung des Autobahnabschnitts zwischen Brienz und Interlaken Ost. Mit einem Interview mit der Verkehrsdirektorin Dora Andres bei der Brunngasse.